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Schwarzwälder Bote

7.06.2015 Artikel von Tina Eberhardt anlässlich des 30jährigen Jubiläums der Gesangsschule

Instrumentenbauer für die Stimme

Freudenstadt. Die Stimme ist ein kleines Organ, die den ganzen Mensch beeinflusst. Das weiß niemand besser als Klaus Michael von Bibra.

Er erlag der Faszination Stimme im Jugendalter – und betreibt seit 30 Jahren eine Gesangsschule. Am Samstag, 13. Juni, soll das mit einem Tag der offenen Tür gefeiert werden. "Ich bin ein Instrumentenbauer für Sänger", meint Klaus Michael von Bibra, der Operngesang und Gesangspädagogik studiert hat.

Ganzheitlichkeit steht in der Gesangsschule von Bibras im Mittelpunkt. Der Unterricht hier ist ein Ganzkörper-Training, das blockierte Knochen knarzen und einen Neuling schon mal japsend auf den Flügel sinken lässt. Der Lohn kommt mit den Endorphinen. Wenn der Schüler feststellt, was eigentlich in ihm steckt – und dass er im Begriff ist, die Fertigkeiten zu lernen, um das alles abrufen zu können.

Genau darum geht es Klaus Michael von Bibra mit seinem Ansatz, der auf den ersten Blick auch eigenwillig wirken kann. Schulbuchmodelle, Schema F, Konzept Y? Gibt es bei ihm nicht. "Ich kann auf einem Instrument nur innerhalb der Möglichkeiten spielen." Die sind bei jedem anders – und mit pädagogischer Stangenware selten umfänglich bedient. Das lernte von Bibra selbst schmerzhaft im Studium, als er nach einer beeindruckenden Ausbildung immer noch von Stimmproblemen geplagt wurde.

"Sie singen ohne Körper", kam die schonungslose Analyse einer Meister-Sängerin. Ein Satz wie ein Schlag, nach Jahren der Plackerei unter den oktroyierten Vorstellungen der Lehrer. Aber: "Das war ein Schneeball, der eine ganze Lawine ausgelöst hat", erklärt von Bibra. Die Arbeitsweise des Sänger-Instruments begann ihn zutiefst zu faszinieren. "Denn letztlich sind alle Stimmprobleme auf eine eingeschränkte Funktionalität zurückzuführen."

Dass er sich den Weg zu seiner Passion, dem Singen, hart erarbeiten musste, lässt Klaus Michael von Bibra heute seinen Schülern zu Gute kommen. Zwanzig Jahre lang war er – neben seiner Unterrichtsstätigkeit – als Konzertsänger in der Welt unterwegs. Noch im Studium gründete er mit Kommilitonen den Freiburger Solistenchor, der sich den zeitgenössischen Werken Luigi Nonos widmete. Gemeinsam tourten sie vom Schwarzwald bis nach Japan, traten mit Größen wie Claudio Abbado, Emilio Pomàrico oder Ingo Metzmacher auf.

Doch der Zug zur ganz großen Opernkarriere war irgendwann durch. Stattdessen entdeckte der gebürtige Calwer seine Bestimmung woanders: "Mich begeistert es, wenn ich jemand in seinen Verhältnissen aufbauen und ihm helfen kann, dass es für ihn funktioniert", sagt er.

Die Arbeit ist für den Schüler so weniger Unterricht als eine Reise zur Quelle der eigenen Ressourcen, die von Bibra behutsam freizulegen hilft. Sein Unterrichtsstil ist eine Mischung aus geduldiger Begleitung, wenn der Schüler noch im eigenen Dunkel tapst, und aus bester Fußballtrainer-Mentalität, wenn es darum geht, den Endspurt bis zum nächsten Durchbruch zurückzulegen.

Dem Bildhauer Michelangelo sagt man nach, dass er so gearbeitet hat: Er erblickte in einem Steinblock eine Gestalt und klopfte so lange alles drumherum weg, bis der Kern freigelegt war. Von Bibra lacht, wenn er dieses Bild skizziert bekommt – es gefällt ihm. Kunst ist für ihn ohnehin etwas Handwerkliches. "Man muss eine Ahnung haben, wie ein Instrument aufgebaut ist."

Sein Unterricht ist nicht selten eine Nachhilfe in Anatomie. Man lernt nicht nur, wie Dinge funktionieren, sondern auch warum. Neben zahlreichen Seminaren, Projekten und Dozententätigkeiten begleitet von Bibra Menschen in Sprechberufen, die Probleme mit der Stimme haben.

Vor einigen Jahren gründete er ein Horchstudio. Dort werden mit akustisch-musikalischer Stimulation Hördefizite behandelt. Doch trotz allen umtriebigen Pioniergeists ist Bescheidenheit ein Charakteristikum von Bibras geblieben. "Den richtigen Gesangslehrer zu finden, ist wie ein Sechser im Lotto", meint er.

Zum 30. Bestehen seiner Gesangschule in der Lauterbadstraße 162 veranstaltet Klaus Michael von Bibra einen Tag der offenen Tür am Samstag, 13. Juni, von 10.30 bis 16.30 Uhr. Für Neugierige gibt es ab 11, 13 und 15 Uhr eine praktische Einführung zum Mitmachen.